Freitag, 20. März 2009

Von wegen "der Vergleich macht sie sicher"?

Als ersten Punkt möchte ich heute wieder auf alle eingehen, die hier, in welcher Form auch immer, erwähnt werden oder das annehmen und sich dadurch gestört fühlen. Ich möchte niemandem zu nahe treten oder jemanden schlecht machen, Geheimnisse preisgeben oder tragische Vorkommnisse ins Lächerliche ziehen:

Bitte kontaktiert mich, wenn ich "daneben gegriffen" habe - und ich werde, falls nötig, etwas ändern.

Das ist mir ein besonderes Anliegen, da ich heute durchaus auch über die Geschichten anderer Menschen erzähle, die mich in meinem Leben, wenn auch nur für ein sehr kurzes Stück begleitet haben. Warum das wichtig ist? Weil man beginnt sein Leben zu analysieren, wenn man Zeit dafür hat. Und man beginnt, wie immer in der Natur, zu vergleichen. Man beginnt abzuwägen und zu relativieren - in irgendeiner Form.
Meine Situation ist, naja sagen wir einmal, ungünstig. Vor allem wenn man langfristige Planungen vorhätte. Vorsichtig formuliert gestehe ich, dass ich mir jetzt (!!!) keine Gedanken um meine Pension mache, oder wen ich zu meinem 80sten Geburtstag einlade. Allzu langfristiges Denken erscheint mir momentan von zu vielen Faktoren beeinflusst. Außerdem verschieben sich auch die unterschiedlichen Therapieansätze, in ihrer Art, Startzeit und Dauer - zu viele Variablen um sich jetzt auf eine fixe Sommerplanung einzulassen. Das nervt, langweilt, ängstigt, ...
Man beginnt also zu vergleichen. Man vergleicht mit anderen Schicksalen. Mit dem anderer Krebspatienten - ein 17- jähriger, den ich bei meinen ersten Chemotherapien kennenl ernte, eine Bekannte aus dem Familienumfeld - beide hatten sehr ähnliche Diagnosen wie ich (Sarkome), haben den Kampf verloren. Ein Mitpatient bei eine meiner Lungen - OPs ist vermutlich nicht mehr am Leben, denn ich habe ihn zuletzt vor einem knappen Jahr getroffen (Lungenkrebs und Tumore im Gehirn) und habe seither nichts mehr von ihm gehört. Mein Schwager und viele, viele andere ... Ich weiß, dass jetzt viele aufschreien werden: "Bei dir ist das anders." , "Aber du schaffst das.", "Andere Krebsarten" ... Ja schon klar ... aber man vergleicht.

SO gesehen geht es mir ja ganz gut.
Auch verglichen mit - und ich bitte um Nachsicht - den Kolleginnen (leider wirklich Mehrzahl) deren Männer sehr unvermittelt und natürlich zu früh verstarben bzw. mit deren Hinterbliebenen - es tut mir wirklich unsagbar leid. Trotz allem bin ich jetzt so froh, dass ich eine Familie habe und sie erleben darf.
Denke ich an die Kinder, die ich jetzt in der Onkologie kennenlernte (8 bzw. 11), könnte ich zum Heulen anfangen, wenn ich sehe, wie selbstverständlich die leben ... und kämpfen.
Man vergleicht auch mit Leuten, die schwere Unfälle hatten oder einen Schlaganfall. Wenn man Menschen kennt, die seit Monaten an ihrer Rehabilitation hart arbeiten und die grundlegendsten Dinge lernen müssen - essen, sprechen, bewegen, gehen, ... - dann ist man einfach versucht ...

NEIN - man kann Menschenleben nicht mit einander vergleichen.
Wir alle können von einander lernen! Ich habe größte Hochachtung vor Menschen, die es schaffen über Monate oder Jahre hinweg ihren Mut nicht zu verlieren. Ich versuche auch in diese Richtung zu gehen. Und da ist es egal ob man von einem Ereignis (z.B.: Unfall, oder plötzliche Erkrankung) weg arbeitet oder durch ein eventuell chronisches Leiden hindurch.
Was mich an meiner Situation stört ist, dass es keine Prognose gibt. Kein: "Sie tragen jetzt 8 Wochen diesen Gips und dann ist das wieder gut."
Die anderen Ärzte und ich, wir haben keine Ahnung in welchem zeitlichen Rahmen wir uns bewegen. Und da fallen Durchhalteparolen etwas schwer.
Andererseits bin ich jetzt erst (oder schon) seit knapp vier Jahren Mitglied in dieser Abteilung - andere spielen das über Jahrzehnte oder leiden ihr ganzes Leben an Schmerzen.

Mein Gefühlsleben gleicht momentan einer Fahrt auf einer Achterbahn.
Ich denke also immer wieder über mein Leben nach. Ich ärgere mich, dass ich seit Wochen nicht mit meinem Auto fahren kann, freue mich über das gute FruFru und wundere mich über das Comeback von "New Kids on the Block" bzw. über die Realitätsverweigerung mancher Leute. Hallo? NEW ?? Kids ??? - Saufen die alle heimlich?
Obwohl, sooo schlecht waren die damals nicht - auch wenn 's keiner zugibt.
Macht auf jeden Fall Spaß, dass wieder mal zu sehen.



Euer MP (Laienmediziner f. Onkologie, Thoraxchirurgie und Orthopädie)



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